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Albumbesprechung Camel - Music Inspired By The Snow Goose

Interpret: Camel

Titel: Music Inspired By The Snow Goose

Erscheinungsjahr: 1975

Genre: Rock, Prog

Bewertung: 8 von 10  (8/10)

 

Rezension/Review

The Snow Goose ist der Titel des dritten Albums der Band Camel. Das Album erschien im Jahr 1975. Eingespielt wurde es in der klassischen Besetzung mit Andrew Latimer (Gitarren, Flöte, Gesang) Peter Bardens (Keyboards) Doug Ferguson (Bass) und Andy Ward (Drums, Percussion).

Das Album markierte sicherlich einen Höhepunkt der Bandgeschichte. Es erreichte immerhin Rang 22 der UK Charts und hielt sich dreizehn Wochen in den Charts. Dafür gab es Silber. In den USA erreichte die Band zwar nur Rang 169 der Charts, dafür gelang Camel der Durchbruch in Europa und Japan. The Snow Goose wird von vielen Fans und Kritikern als das wichtigste Bandalbum bewertet, in einigen Proglistings erscheint es immer wieder weit oben. Latimer selbst bewertete das Album später in einem Interview als das "vielleicht nicht wichtigste Album der Band, aber als das richtige Album zur richtigen Zeit".

Die Band erhielt für ihr Vorgängeralbum Mirage guten Zuspruch und allgemein wurden dort vor allem die Suitenartigen Tracks gelobt. Dort hatten sie sich mit The White Rider z. B. an einer Minisuite zum Thema Tolkiens Herr Der Ringe gewagt. Bassist Ferguson soll aufgrund dieser Entwicklung ein Konzeptalbum vorgeschlagen haben. Dazu wollte man sich einer literarischen Vorlage bedienen. Bardens begann an Stücken, die sich auf Hermann Hesses Siddharta bezogen. Man ging damit sogar ins Studio, verwarf das Ganze jedoch. Bardens Idee, Steppenwolf von Hesse zu vertonen, wurde relativ schnell verworfen. Auch hier soll letzten Endes Bassist Ferguson mit der endgültigen Idee gekommen sein, er schlug die Novelle The Snow Goose vor.

Camel wählten die eher unbekannte Novelle von Paul Gallico. Sie gingen an die Arbeit und nahmen dafür auch Kontakt mit Gallico auf. Der war, so Latimer später, vor allem aus einem Grund überhaupt nicht begeistert: Gallico war ein mehr oder weniger militanter Nichtraucher und die Band konnte ihn nicht überzeugen, dass sie nichts mit der bekannten Zigarettenmarke zu tun hat. Gallico machte klar, dass er und der Verlag notfalls die Veröffentlichung verbieten würde. Die Band indes wollte unbedingt am Konzept festhalten und fragte bei der Rechtsabteilung ihrer Plattenfirma Decca nach, was man tun könnte. Von dort, so Latimer, kam dann der Rat mit dem Zusatz Music Inspired By.

Das Album kam als Music Inspired By The Snow Goose und ohne Texte Gallicos zur Welt. Eigentlich kein guter Start, aber musikalisch lief es wohl ganz gut. Die Band hatte das gesamte Material in knapp 14 Tagen aufgenommen. Dazu kamen später einige Overdubs und die Bedford Arrangements des London Symphony Orchestra. Die Band hatte übrigens nie die Möglichkeit, direkt mit Gallico zu sprechen, er lehnte jeden Kontakt ab. Latimer bedauerte das später, er ging auch davon aus, dass Gallico die musikalische Umsetzung der Band nie anhörte.

Zur Story von Gallico

Wenn es schon solche Probleme gab, dann sollte man vielleicht kurz etwas zur Story an sich sagen.

The Snow Goose ist im Grund eine Novelle über Liebe und Freundschaft vor dem Hintergrund des II. Weltkriegs. Es geht um die Freundschaft zwischen Philip Rhayader und Fritha. Rhayader ist ein Künstler, der abgeschieden in einem aufgegebenen Leuchturm in einem Marschgebiet in Essex lebt. Abgeschieden wohl deshalb, weil er die Einsamkeit aufgrund einiger Beeinträchtungen suchen muss. Gallico beschreibt Rhayader als einen Mann mit Buckel und verkümmerten linken Arm, jedoch mit einem ungemein liebevollen Wesen. Fritha ist ein kleines Mädchen aus der Gegend, welches eines Tages in das Leben von Rhayader tritt. Sie trägt eine verwundete Schneegans im Arm. Rhayader und Fritha pflegen die Gans, bis diese wieder aus eigener Kraft fliegen kann. Die Gans kehrt danach immer wieder in das Marschgebiet des Leuchtturms zurück.

Für Gallico repräsentiert die Gans sowohl Rhayader selbst als auch die Freundschaft zwischen ihm Fritha. Die Jahre vergehen, Fritha wächst heran, die Freundschaft bleibt bestehen und die Gans kehrt immer wieder zu den beiden zurück. Rhayader selbst macht sich in den Wirren des Krieges mit seinem Boot auf nach Dünkirchen, um dort in Not gekommenen Soldaten zu helfen. Dabei kommt Rhayader ums Leben. Die Gans kommt daraufhin noch ein letztes Mal zum Leuchtturm zurück, wo Fritha klar wird, dass die Seele Rhayaders Abschied von ihr nehmen will. Gleichsam erkennt sie, dass Rhayader mehr als nur ein Freund war, sie hatte sich in ihn verliebt. Kurze Zeit später wird der Leuchtturm von einem Deutschen Bomberpiloten komplett zerstört und mit ihm alles, was an Rhayader erinnert. Fritha bleibt nur eines: ein von Rhayader gezeichnetes Bild von ihr als Kind mit der damals verwundeten Schneegans im Arm.

Zur musikalischen Umsetzung

Camel setzen das Thema instrumental um. Die Titel an sich zeigen an, wo man in der Kurzgeschichte steht. Die Songs sind vergleichsweise kurz, unüblich für Konzeptalben des Prog. Meines Erachtens passt das aber gut zur Kurzgeschichte.

Musikalisch gibt es wenig zu mäkeln. Symphonischer Prog auf The Great Marsh, etwas englische Folklore auf Rhayader, Camelsounds mit jazz-rockigen Elementen auf Rhayader Goes To Town. Dazwischen immer wieder schöne kurze Intermezzos wie Sanctuary und Fritha. Schon auf der damaligen Seite 1 funktioniert das für meinen Geschmack gut, dennoch würde ich die damalige Seite 2 mit dem Auftakt Flight Of The Snow Goose noch höher bewerten. Hier liefert die Band extrem stark ab, das ist einfach klasse.

Insgesamt gibt es von allem etwas, Camel versuchen der Story und deren Verlauf mit ihrer Musik natürlich Ausdruck zu geben und daher klingt das nicht unbedingt so, wie andere klassische Camel-Alben. Manchmal kommen eher Erinnerungen an Wishbone Ash auf (vielleicht auch, weil Camel mit ihnen auf Tour waren), manches Motiv erinnert mich an Oldfield. Latimer zitiert auch David Gilmour, was in dem Kontext aber sehr gut passt. Und so gibt es einige stimmige Tracks mit meinen persönlichen Highlights Dunkirk, Epitaph und vor allem La Princesse Perdue.

Fazit Snow Goose ist für den einen ein Meisterwerk, für den anderen ein vergleichsweise langweiliges Album. So war das eben bei Camel, kaum eine Band bekam bei Beschreibungen ihrer Musik so oft das Prädikat nett aufgedrückt. Tatsächlich wirkte ihre Musik auf Anhieb oft spannungsarm, dafür hatten Camel Alben die seltsame Kraft, mit jedem Anhören wachsen zu können. Das ist im Fall von Snow Goose kaum anders. Manchem Proggie könnten die Tracks zu kurz und auf Anhieb zu unspektakulär gewesen sein, aber m. E. lieferte die Band ein stimmiges Sketchbook mit Notizen zur Gallico Story. Am Ende kam ein Album heraus, das zum direkten Vergleich mit Mirage oder Moonmadness ebensowenig taugt wie dem Vergleich mit anderen Konzeptalben. Es war einfach eine andere Hausnummer, eine Art Filmmusik zu einem Buch, ein ganz spezielles Album - Camel eben. Und in diesem Fall eine vorzügliche Camel-Ausgabe.

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Trackliste
  1. The Great Marsh 2:02
  2. Rhayader 3:01
  3. Rhayader Goes to Town 5:19
  4. Sanctuary 1:05
  5. Fritha 1:19
  6. The Snow Goose 3:11
  7. Friendship 1:43
  8. Migration 2:01
  9. Rhayader Alone 1:50
  10. Flight of the Snow Goose 2:40
  11. Preparation 3:58
  12. Dunkirk 5:19
  13. Epitaph 2:07
  14. Fritha Alone 1:40
  15. La Princesse Perdue 4:43
  16. The Great Marsh 1:20

2002 Remaster Bonus

  • Flight of the Snow Goose (Single edit) 2:05
  • Rhayader (Single edit) 3:09
  • Flight of the Snow Goose (Alternate single edit) 2:50
  • Rhayader Goes to Town (Recorded live at The Marquee Club) 5:07
  • The Snow Goose/Freefall (Recorded live at The Marquee Club) 11:01

2013 Re-record

  1. The Great Marsh 2:04
  2. Rhayader 3:02
  3. Rhayader Goes to Town 5:20
  4. Sanctuary (revised edition) 1:06
  5. Fritha 1:19
  6. The Snow Goose 3:12
  7. Friendship 1:44
  8. Migration (revised edition) 2:02
  9. Rhayader Alone (revised edition) 1:50
  10. Flight of the Snow Goose 2:01
  11. Preparation 3:53
  12. Dunkirk 5:25
  13. Epitaph (revised edition) 2:07
  14. Fritha Alone 1:39
  15. La Princesse Perdue 4:46
  16. The Great Marsh 1:34

Rezensent: MP