Beachten Sie bitte vor Nutzung der Webseite die Datenschutzerklärung. Mit Nutzung der Webseite akzeptieren Sie diese.

CD Kritik Talk Talk - Spirit Of Eden

Interpret: Talk Talk

Titel: Spirit Of Eden

Erscheinungsjahr: 1988

Genre: Art-Rock, Ambient, Post-Rock

Bewertung: 9 von 10  (9/10)

 

Rezension/Review

Spirit of Eden ist der Titel des vierten Studioalbums der englischen Band Talk Talk. Das Album erschien im Jahr 1988.

Zunächst war das Album, gemessen an den Verkäufen der Vorgängeralben, kein kommerzieller Erfolg. Auch die Kritiken waren eher verhalten. Dies lag wahrscheinlich am Richtungswechsel der Band. Talk Talk war eigentlich eine typische englische Electro-Pop Band, die zuvor mit Such A Shame oder It's My Life zwei Riesenhits vorgelegt hatte. Auf Spirit Of Eden jedoch korrigierte die Band ihren Kurs ziemlich radikal und legte ein Album vor, welches zwischen Ambient bis Jazz und Klassik etwas ganz anderes lieferte. Bei Fans kam das zunächst nicht gut an. Nachdem das Album kurz in die Charts kam, versank es ziemlich schnell in der Versenkung. Ich denke, dass vor allem klassische Fans das Album zunächst blind kauften. Aber nachdem sich der Richtungswechsel herumgesprochen hatte, ließen die meisten Käufer ihre Finger von dem Produkt.

Im Nachhinein sind wir alle schlauer. Spirit Of Eden wird heute zu den wichtigen Alben der modernen Rockmusik gezählt, Talk Talk haben mit diesem Album den Post-Rock entscheidend geprägt. Die Band war zwar schon zuvor eine der außergewöhnlicheren Electro-Pop Bands, dennoch überraschte sie auf Spirit Of Eden mit einem Mix aus Art-Pop, Ambient, Jazz bis hin zur Klassik. Talk Talk machten, so sagte es Mark Hollis einmal, aus einer Not eine Tugend. Hollis selbst wollte eigentlich nie Electro Pop machen. Allerdings konnte die Band ihre Musik aus Kostengründen zunächst am besten mit vielen Synthie-Sounds realisieren. Dazu eignete sich der Electro-Pop und die Band verdiente damit soviel Geld, dass sie sich für dieses Album eine Besetzung ins Studio holen konnte, die zur Realisierung ihrer Ideen gebraucht wurde. Letzten Ende erhielt die Band das Geld für die Aufnahmen auch nur aufgrund des Erfolges des Vorgängeralbums The Colour Of Spring.

Mark Hollis und Tim Friese-Greene schrieben die Tracks, zur Produktion holte man sich eine stattliche Anzahl von Musikern, welche ein Sammelsurium an Instrumtenten einspielten. Neben der Stammbesetzung mit Mark Hollis (vocals, piano, organ, guitar), Lee Harris (drums) und Paul Webb (electric bass guitar) wurde als Gastmusiker o. g. Tim Friese-Greene (harmonium, piano, organ, guitar ) gelistet. Außerdem waren z. B. Gitarrist Robbie McIntosh und der heute weltberühmte Violinist Nigel Kennedy dabei sowie der Chor der Chelmsford Cathedral. Die Aufnahmesessions fanden über einen langen Zeitraum in einer betont mystischen Stimmung statt (angeblich meist im Dunklen), es wurde viel improvisiert und aus dem Material das Album digital gemastered. So richtig glücklich war die Plattenfirma mit dem Ergebnis nicht, es kam darüber auch zum Eklat. Marketingfachleute waren sich damals einig, dass man ein so experimentelles Rockalbum schlecht vermarkten konnte. So war es schließlich auch. Die Band tourte auch nicht, um das Album zu supporten. Hollis meinte dazu

es gibt keine Möglichkeit, dass ich Material des Albums jemals wieder spielen könnte, einfach weil ich gar nicht wüsste wie.

Spirit of Eden war dementsprechend nicht so erfolgreich wie The Colour Of Spring. Das Album erreichte als beste Platzierung Rang 19 der UK-Charts und hielt sich nur fünf Wochen in den Charts.

Die Songs

  • Der Opener The Rainbow wird zunächst in einer gedämpften Moll-Stimmung eröffnet. Das klingt nach Ambient mit gedämpfter Miles Davis ähnlicher Trompete, überraschend die verzerrte Harp, die scharfe Kontraste setzt. Sehr schön der Übergang mit den sphärischen Gitarrensounds, dazu setzt ein minimalistischer Groove ein und wieder gibt die verzerrte Harp ihren Senf dazu. Der Song birgt einige interessante Parts und Überraschungen, u. a. die Harpsounds, welche gegen Ende stellenweise wie Messer in den Song schneiden.
  • Eden wird von scharfen Gitarrenchords zum Leben erweckt, darüber wird ein minimalistischer Groove gelegt, der an die Rhythmik eines Jaki Liebezeit erinnert. Der Song ist aber dichter instrumentiert und legt stellenweise eine erstaunliche Intensität an den Tag. Auch hier gibt es einige überraschende Momente, abgedreht wirken die fast schon zerstörerischen Gitarrensounds in bester Neil Young Manier.
  • Desire erfährt zu Beginn mit den Orgelsounds eine fast schon sakrale Stimmung, welche nach knapp 2.40 in einen rockigen Part explodiert. Dieses Wechselspiel bestimmt den interessanten Song, der immer mal wieder mit Syd Barrett ähnlichen Gitarrenparts überrascht.
  • Inheritance wird von E-Piano Sounds und einer wiederum subtilen rhythmischen Unterstützung getragen. Wieder ein interessanter Song mit mächtigen Soundlandschaften, die einen mal einhüllen und mal fast überrollen wollen.
  • I Believe in You ist der eingängigste Song, wenn man in dem Zusammenhang davon sprechen kann. Zumindest könnte man hier gewisse Analogien zu dem Material ziehen, welches die Band zuvor veröffentlichte.
  • Wealth schließt das Album stilgerecht ab. Das ist sehr ruhig, sehr getragen und stets etwas melancholisch und bildet den emotionalen Höhepunkt der Scheibe.

Fazit Spirit Of Eden ist ein durch und durch bemerkenswertes Album. Es bekam zum offiziellen Release kräftige Schelte, gilt jedoch im Nachhinein als Meisterwerk der modernen Rockmusik. Die nicht gerade seltene Wandlung vom Saulus zum Paulus. Vorwürfe kann man da niemandem machen. Ich denke, damals war das Album eine echte Enttäuschung, besonders für die Fans. Heute muss man einfach konstatieren, dass die Band ihre Ideen kongenial umsetzt und ihren Idolen (Mark Hollis nennt Klassiker wie Bartok und Debussy ebenso wie Jazz-Musiker wie Miles Davis und John Coltrane und die Deutschrocklegende Can) in interessanter Weise huldigt. Alles hängt in einer melancholischen Stimmung, die spirituell bis religiös angelegten Texte passen dazu. Es mag verwirrend sein und vielleicht sogar etwas überambitioniert wirken, aber es ist einfach ein besonderes Album, welches als wichtige Inspirationsquelle für den Post-Rock diente.

Anzeige

Album bei Amazon ansehen
*Bitte beachten Sie: als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Käufen. Aus diesem Grund wird ein Tracking Cookie gesetzt, wenn Sie auf den Amazon-Link klicken

Trackliste
  1. The Rainbow 9:05
  2. Eden 6:37
  3. Desire 7:08
  4. Inheritance 5:16
  5. I Believe in You 6:24
  6. Wealth 6:35

Alle Songs geschrieben von Tim Friese-Greene und Mark Hollis.

Rezensent: MP